Segensbringer oder Jobkiller? Beim Thema künstliche Intelligenz (KI) gehen die Wogen hoch. Für mich und meine Arbeit als Grafik-Designer gilt derzeit ganz klar: Segensbringer. Warum? Das erfährst du in diesem Artikel.
Eigentlich wollte ich mich Ende Dezember 2022 entspannt in den Weihnachtsurlaub verabschieden, doch die Meldungen zum Thema künstliche Intelligenz, und den damals bekanntesten Vorreitern Chat-GPT und Midjourney überschlugen sich derart, dass an Ruhe nicht zu denken war. Zu intensiv waren meine Gedanken über die Möglichkeiten und die Zukunft unseres Berufstands.
Das Thema geisterte zwar schon lange durch die Medien, aber plötzlich war es omnipräsent. Ich startete meine ersten Versuche mit der Bildgenerierungs-KI „Midjourney“, aber die Ergebnisse waren desaströs. Perfekte Bilder auf Knopfdruck, wie es in den Medien hieß? Weit gefehlt.
Wenn eine Sache komplex und schwierig wird, aktiviert sich mein Tüftler-Gen und ich will mehr wissen. Im Umgang mit der künstlichen Intelligenz zahlt sich das definitiv aus, denn wie so oft gilt auch hier: Übung macht den Meister. Der Umgang mit KI will erlernt werden, wie eine neue Sprache oder ein neues Computerprogramm. Nur, dass die kreativen Möglichkeiten mit KI schier unendlich sind und zu immer neuen Ideen anregen.
Eine Revolution für Designprojekte
Genau hierin liegt auch der gewaltige Nutzen, den Midjourney für mich als Grafik-Designer bietet: in kurzer Zeit neue Ideen auszuprobieren und diese auf ihre Wirkung und Funktionalität zu überprüfen. Kundinnen und Kunden können viel leichter entscheiden – sie können sich das Ergebnis besser vorstellen, wenn sie ein finales Bild sehen, anstatt Skizzen oder Bildschnipsel.
Insgesamt werden durch den Einsatz von Bildgenerierungs-KI in der Konzeptions- und Präsentationsphase die Wege einfacher, schneller und damit für die Auftraggeber:innen auch kostengünstiger. KI macht es möglich, auch ausgefallene Ideen umzusetzen und damit mehr Aufmerksamkeit zu erhalten, ohne dass man eine Armee an Kreativen engagieren muss. Plötzlich reicht ein kleines Kreativteam aus, um coole Ideen in Top-Qualität umzusetzen.
Arbeits- und Kostenersparnis
Diese vier Bilder habe ich mit mit Midjourney erstellt. Eine Umsetzung auf traditionellem Weg würde jeweils mehrere Stunden Zeit in Anspruch nehmen. Es benötigt dafür Grafikprogramme wie Adobe Illustrator, Adobe Photoshop sowie Blender oder 3ds-max. Ich müsste zahlreiche Fotomotive bei Fotoagenturen recherchieren, kaufen, in Photoshop freistellen, zu einem Motiv zusammensetzen, retuschieren, Farbe, Schärfe und Kontrast anpassen, etc. Und erst dann, nach mehreren Stunden, würde sich zeigen, ob die Gesamtwirkung auch wirklich dem gewünschten Ergebnis entspricht. Wenn nicht: alles noch Mal von vorne!
Bildgenerierung mit Midjourney ist hier ein echter Gamechanger, um Zeit und Ideen effektiv zu nutzen und schneller als je zuvor mehrere Motive zu entwickeln und zu testen. Das Programm zu lernen erfordert zwar auch jede Menge Zeit, zur Weiterentwicklung und Verbesserung investiere ich diese aber gerne.
Die Kombination macht's – Beispiele aus der Praxis
Diesen Aufkleber habe ich für CF-MOTO Offroadfahrzeuge als Giveaway für einen Messeauftritt gestaltet. Meine Idee, dafür ein Herz mit Offroad-Reifenprofil zu verwenden, habe ich wieder mit Midjourney umgesetzt. Hier die Rohfassung des Herz:
Dieses Bild habe ich danach in Adobe Photoshop bearbeitet und freigestellt. Für den Text und den türkisen Hintergrund im Grunge-Stil habe ich Adobe Illustrator verwendet.
Dieses Beispiel zeigt auch die Grenzen der KI: Midjourney wäre aktuell nicht in der Lage, den gesamten Sticker in einem Rutsch zu generieren, aber als zusätzliches Kreativwerkzeug ist es für mich mittlerweile schon unverzichtbar geworden.
Das folgende Sujet ist Teil einer Inserat- und Plakatkampagne für das Autohaus Diepold. Auf humorvolle Art werden die Reparatur- und Serviceangebote illustriert, indem links (vor der Reparatur) das Fahrzeug defekt und schmucklos wirkt und rechts (danach) sauber und in neuem Glanz:
Das Fahrzeug mitsamt dem beschädigte Heck wurde dabei von mir wieder mit Midjourney kreiert. Die Personen sind echte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Auto Diepold, die im Fotostudio von Martin Meieregger (www.meieregger.photos) fotografiert, und danach in die Szene montiert wurden.
Diese 4 lebensgroßen Aufsteller habe ich für eine Veranstaltung an der FH-Kapfenberg gestaltet, um das Projekt „Obersteierstark-Jugend“ zu präsentieren:
Der junge Albert Einstein als moderner Student und ein Murmeltier als Wanderer sind Beispiele, die ohne den Einsatz von künstlicher Intelligenz grafisch nur sehr schwer umsetzbar wären.
Ist mit künstlicher Intelligenz nun alles besser?
Ein klares Nein. Wo Licht ist, ist auch Schatten. Die derzeitige Midjourney Version 6 ist zwar um ein Vielfaches Besser als frühere Versionen und die Entwicklung schreitet rasant voran. Aber nach wie vor gibt es oft Fehler bei der Darstellung von Händen, Gesichtern und Zähnen, die befremdlich wirken. Es braucht oft einige Versuche und Variationen der eingegebenen Promts, um zum gewünschten Ergebnis zu gelangen.
Social Media und das Web allgemein wird von KI-Bildern regelrecht geflutet. Oft sehe ich schlecht gemachte Bilder, bei denen sich die Ersteller nicht einmal die Mühe machen, störende Bildelemente zu entfernen oder fehlerhafte Texte zu korrigieren. Obwohl die Akzeptanz für KI im Alltag steigt, lösen solche Dinge auch bei nicht fachkundigen Betrachtern Unsicherheit aus: „Hier stimmt etwas nicht!“ Und Unsicherheit kann in der Markenkommunikation wirklich niemand brauchen.
Beim Einsatz von KI-Bildern in (zumindest dauerhaften) Publikationen habe ich aufgrund urheberrechtlicher Gründe noch starke Bedenken.
Fazit
Von mir bekommt der Einsatz von künstlicher Intelligenz im Grafikdesign ein klares „Yes!“. Er erleichtert mir meine Arbeit in der grafischen Konzeption, sorgt für ein besseres Verständnis bei Kundinnen und Kunden, was zu schnelleren und haltbaren Entscheidungen führt. Zudem lassen sich Ideen umsetzen, die ohne KI kaum oder nur mit sehr viel Aufwand und Kosten möglich wären.
Derzeit gibt es aber noch deutliche Einschränkungen, sowohl im Umgang mit der KI, in der Treffsicherheit sowie der Qualität der Ergebnisse. Dadurch sehe ich KI im Moment vor allem als guten Helfer in den passenden Anwendungsfällen.
Vorstellungskraft, Anwenderkenntnis, das Wissen um die richtige Kombination und Gespür für Kund:innenwünsche: dafür braucht es nach wie vor das Know-how der HI (Human Intelligence).
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